So Eine Anstalt Reibt Auf

English Version

Dokumentarfilm, 83 Minuten, Schweiz, Deutschland, 2023

DCI, Farbe, Stereo (2.0)

Premiere: Video on Demand (nachtkritik.de)

Das Ensemble des Theater Basel stellt sich der Spielanordnung einer Rekonstruktion. Dürrenmatts Klassiker “Die Physiker” soll entsprechend der Uraufführung von 1962 auf die Bühne gebracht werden. Regie führen die Schauspielenden dabei selbst. Im Kollektiv wagen sie sich an eine Bühnenarbeit, die die aktuellen Fragen zum Zustand des deutschen Theaters, der Rolle der Regie und dem Gewicht historischer Stücke verhandelt.

Synopsis

Anlässlich des hundertjährigen Geburtstags von Friedrich Dürrenmatt wagen die Schauspielenden des Stadttheaters Basel eine besondere Art der Hommage. Dürrenmatt, der in seiner eigenen Zeit am Theater Basel 1967 (bekannt als “Basler Dramaturgie”) selbst die Funktion der Regie in Frage stellte, hat mit dem Stück “Die Physiker” einen Klassiker verfasst. In der Schweiz ist es eines der meistgespielten Stücke überhaupt und wurde seit seiner Uraufführung 1962 im Schauspielhaus in Zürich auf unterschiedlichste Weise inszeniert und interpretiert. Die Rekonstruktion der Uraufführung, besetzt mit namhaften Größen des deutschen Theaters wie Therese Giehse, Gustav Knuth und Theo Lingen, soll durch die Schauspielenden der Basler Compagnie im Jahr 2021 in Eigenregie durchgeführt werden. Als Hilfsmittel dienen ihnen dabei lediglich das Original-Regiebuch von Regisseur Kurtz Horwitz und einige Archivaufnahmen des Schweizer Fernsehens der Theaterproben von 1962. Die Schauspielenden müssen bald feststellen, dass eine Inszenierung ohne Regisseur*in viele Herausforderungen in sich birgt, die sie nun untereinander ausmachen müssen. Dadurch treten persönliche Befindlichkeiten in den Vordergrund und flankieren die künstlerische Arbeit. Egoismen und inhaltliche Differenzen erschweren die archäologische Theaterarbeit, die die Schauspielenden betreiben wollen, um eine echte Rekonstruktion zu gewährleisten. Schon bald gelangt das Kollektiv an die Grenzen des institutionellen Theaters und des kollegialen Miteinanders. Die Auseinandersetzung mit der Theaterarbeit von 1962 macht auch deutlich, wie sehr sich Rollenbilder und gesellschaftliche Diskurse seitdem verändert haben und welche Klischees mit einer so altertümlichen Inszenierung bedient werden. Während der Probearbeiten müssen sich die Schauspielenden also fragen, ob sie es schaffen, die historischen Unterschiede aufzuzeigen, oder ob sie in einer schablonenhaften Nachbildung der sechziger Jahre verfangen bleiben. 

Director's Note:

Als etabliertes Stadttheater ging das Theater Basel mit der Rekonstruktion von “Die Physiker” ein Risiko ein. Es begeisterte mich, dass ein so großes Haus nicht auf renommierte Regiegrößen oder spannende Nachwuchstalente setzte, sondern die Inszenierung eines so bekannten und mit Erwartungen beladenen Theaterstücks ihrem zum Teil noch jungen Ensemble zumutete. Im Dunstkreis des deutschen Theaters, das sich seit jeher über seine Koryphäen und historischen Stoffe definiert, schien es mir ein gewagtes Projekt, das ich dringend dokumentieren wollte. Was würde die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit heraufbeschwören? Was könnte man daraus über unser Verhältnis zur Geschichte lernen? Wie würden die Schauspielenden ohne Regisseur*In arbeiten? Und wie würden sie sich mit dem angestaubten Stoff identifizieren? Ironischerweise passte das auch zu meinem altertümlichen Eindruck vom Theater, dem ich als Filmemacher oft skeptisch gegenüberstand. Um dem deutschen Theater etwas Neues abzuringen, wollte ich den Probeprozess dann genauso akribisch dokumentieren, wie es auch die Schauspielenden in ihrer Auseinandersetzung mit der Uraufführung taten. Umso spannender wurde meine Arbeit dadurch, dass die Kamera als Reflexionsmedium selbst eine Rolle im Rahmen dieser Kollektivarbeit einnahm und ich so einen Teil zum Prozess beitragen konnte.

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Zusätzliche Kurzdokumentation für das Theater Basel

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